Göttinnenglaube

Dieser Text ist irgendwann um das Jahr 2000 herum entstanden. Er war Bestandteil der Seite die-goettin.de und ich bin die Autorin. Heute würde ich von Göttinnensprititualität, nicht von Göttinnenglauben reden – aber der Text ist aufhebenswert für die Grundlagen, finde ich.

Der Göttinnenglaube

Nun, zu allererst: DEN Göttinnenglauben gibt es so gar nicht und gleichzeitig gibt es ihn doch. Das besondere im Gegensatz zu den heute bekannteren Glaubensystemen wie Christentum, Judentum, Islam und anderen ist, dass der Göttinnenglaube weder eine Organisation noch ein Buch kennt, das den Glauben regelt. Deshalb gibt es DEN Glauben so nicht, viele unterschiedliche Menschen erarbeiten sich ihren eigenen Glauben, das Ergebnis kann von denen anderer Göttinnengläubiger durchaus abweichen. Es gibt nur zwei Instanzen zum Festlegen von Glaubensfragen: Dich und die Göttin. Das, was Du (oder ich, oder andere) von der Göttin erfährst, hat nicht zwingend Auswirkung auf andere Gläubige. Das zeigt schon: der Göttinnenglaube ist also sehr wohl existent, es ist ein individueller Glaube. Der individuelle Glaube jedes und jeder einzelnen, weist aber im Vergleich miteinander einige Gemeinsamkeiten auf, die ich hier darstellen möchte. Da aber letztendlich jede Person individuell über ihren Glauben entscheidet, mag es auch Meinungen geben, die von dem hier vorgestellten abweichen.

Vor der Erläuterung der Eckpfeiler des Göttinnenglaubens sei noch erwähnt, dass wir uns diese Religion nicht ausgedacht haben, und auch nicht die Schriftstellerin Marion Zimmer Bradley. Es ist unsere Interpretation der Religion, die schon seit Urzeiten auf der Erde existiert, wie viele steinzeitliche Funde beweisen. Dazu aber an anderer Stelle mehr.

Beim Göttinnenglauben geht es nicht darum, einfach das Wort Gott aus feministischen Gründen durch das Wort Göttin zu ersetzen. Es beinhaltet ein anderes als das christliche Weltbild. Es gibt sowohl monotheistische als auch polytheistische Richtungen des Göttinnenglaubens. Die meist verbreitete Auffassung ist wohl die, dass das Universum, die Natur und alles, was wir kennen die Göttin ist und das unterschiedliche Kulturen diese Gesamtgöttin (oder auch dieses Gesamtgöttliche) in unterschiedlich Göttinnen und Götter aufsplitten, um unterschiedliche Eigenschaften hervorzuheben. All diese andere Göttinnen und Götter sind damit genauso real existent wie die Gesamtgöttin oder die Erde, auf der ich stehe.

Hierzu muss erwähnt werden, dass eine andere weitverbreitete Auffassung besagt, dass das Gesamtgöttliche, das Universum, sich aufteilt in weibliche und männliche Energien, in eine Göttin und einen Gott, die gleichberechtigt nebeneinander existieren und die wiederum die Summe all der kulturellen Göttinnen und Götter darstellen.

Die monotheistische Sichtweise des Göttinnenglaubens unterscheidet sich darin, dass eben ausschließlich die Göttin existiert, die das komplette Universum umfasst und keine anderen Gottheiten existieren, allenfalls andere Namen für sie sind.

Ein wichtiger Unterschied beider vorgestellter Göttinnen-Auffassungen zu Glaubenssystemen wie z.B. dem Christentum ist aber, dass Göttinnengläubige die Göttin als einen Teil dieser Welt ansehen, bzw. als die Welt bzw. das Universum an sich. Das bedeutet, weitergedacht auch, dass wir, ein Teil der Göttin sind.

Der Göttinnenglaube beinhaltet kein Konzept von einem Himmel oder einem Leben nach dem Tod, wie die Christen es kennen. Die Mehrheit der Göttinnengläubigen vertraut aber auf die Reinkarnation (Wiedergeburt) als Bestandteil des Seins, da alle anderen Abläufe, die wir kennen ebenfalls zyklisch verlaufen.

Der Göttinnenglaube betont das Hier und Jetzt, das Leben und die natürlichen Zyklen und Abläufe. Dadurch, dass die Göttin ALLES ist, ist all dies auch heilig, hat all dies ein grundlegende Bedeutung, allem voran die natürlichen Zyklen. Das heißt, dass auch wir etwas besonders sind, heilig, ebenso wie die Tiere, Pflanzen, Steine und alles andere. Viele Göttinnengläubige sehen es daher als ihre Aufgabe an, die Natur zu schützen und zu bewahren. Die Feier der Jahreskreisfeste (also des Laufs der Sonne und damit der Wandel der Jahreszeiten) gehört ebenso wie das Feiern des Mondzyklus für die meisten Menschen untrennbar zum Göttinnenglaube. In einem bekannten Text, der weitestgehend von allen Göttinnengläubigen akzeptiert wird, sagt die Göttin „Alle Rituale der Freude sind meine Rituale“ – dies beinhaltet Sex ebenso wie alles andere.

Die Auffassung, dass wir Menschen ebenso heilig und wichtig sind wie z.B. Steine bewirkt aber nicht nur einen anderen Umgang mit Steinen sondern auch mit uns selbst. Es „ermächtigt“ die uns dazu, unsere persönlichen Kräfte und Stärken zu finden und pflegen, uns unseres Körpers voll bewusst zu werden (oder dies zu versuchen) und uns mit unseren Schattenseiten zu versöhnen oder diese zu überwinden. Für die meisten Menschen gehört also zum Göttinnenglaube ein großes Maß an Arbeit an sich selbst aber und er erweist sich als Kraftpotential für die eigene Persönlichkeit und deren Entwicklung.

Der Göttinnenglaube kennt keine Konzepte von Schuld und Sühne und meistens auch kein Gut und Böse. Wie bereits dargelegt, ist aber ALLES, was existiert göttlich und damit auch gleichberechtigt und wertvoll. Dies beinhaltet einen verantwortungsbewussten liebevollen wertschätzenden Umgang mit all unseren „Geschwistern“. Trotzdem ist nicht alles Friede-Freude-Eierkuchen. Der Tod gehört ebenso zum Sein wie Wut, Trauer und andere Emotionen. Die meisten Göttinnengläubige betrachten dies aber nicht in einer Werteskala von gut und böse. Für die meisten, hat alles eine Berechtigung, der Mensch muss allerdings auch die volle Verantwortung seiner Taten tragen. Das Verständnis und der Integration der dunkleren Seiten und Emotionen gehört mit zu den Aufgaben, die der Göttinnenglauben in der Regel mit sich bringt.

Es gibt keine offizielle Bezeichnung des Göttinnenglaubens, wir bezeichnen uns meist als Heiden, zusammen mit Gläubigen anderer Naturreligionen auch. Heidentum verstehen wir als Sammelbezeichnung vorchristlicher Religionen bzw. meist als anderes Wort für Naturreligion. Für viele Göttinnengläubige gehört neben dem dargestellten auch eine religiöse Toleranz zu den Grundpfeilern des Weltbildes, da für die meisten (oder zumindest für viele) Göttinnengläubigen alle anderen Götter und Göttinnen ebenfalls existieren. Einigkeit besteht zu dem darin, auch in Übereinkunft mit allen anderen heidnischen Glaubensrichtungen, dass kein Mensch das Recht oder gar die Aufgabe hat, andere zu bekehren, zu missionieren oder ihnen den „rechten“ Glauben zu bringen.

Seit ich diesen Text schrieb hat sich viel geändert in der Welt und die Göttin ist bekannter. Als Divine Feminine, als Shakti und in vielen Verkörperungen und Konzepten fand sie zurück in die Herzen vieler Frauen. Und es gibt so viel mehr zu erkunden, zu erinnern, zu erleben.

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