Warum hier niemand gerettet werden muss: Retten und Helfen und die Probleme damit

Manchmal müssen Menschen gerettet werden: In einer akuten Gefahrensituation, die ihre eigenen Kräfte übersteigt. Zum Beispiel bei einer Naturkatastrophe, Gewalttat, einem Unfall oder einer akuten Erkrankung oder so etwas wie ein Herzinfarkt. Dann ist Rettung die angemessene Hilfe. Immer dann, wenn es akut ist, wenn man das Gefühl hat, man braucht eigentlich Profis / Ersthelfer aber wir als Mitmenschen auch verpflichtet sind, unser möglichstes zu tun, um ein Leben zu retten.

Das Problem mit dem Retten

Das ist „retten“. Ein Leben retten durch eine direkte Handlung in einer akuten Extremsituation.

Um Hilfe bitten oder Hilfe erhalten ist jedoch nicht retten. Zumindest, wenn wir uns aus dem Ersthelfer-Katastrophen-Kontext  wegbewegen.

Rettung gehört zu echten Realwelt-Katastrophen.

Warum es in anderem Kontext nichts zu suchen hat, ist, weil es sonst eine Hierarchie mit sich bringt. In der realen Katastrophe bin ich nicht mehr handlungsfähig. Mein Überleben hängt vom Eingreifen Anderer ab. Dies ist aber nur wahr im Katastrophen/Gewalt-Kontext, Extremsituationen, nicht im normalen zwischenmenschlichen oder gesellschaftlichen Kontext, nicht im normalen Leben.

Wenn ich außerhalb eines Katastrophenkontextes das Gefühl habe, jemanden retten zu müssen, sind wir auf vergiftetem Boden, was wir gut an Beispielen merken:

  • Orthodoxe egal welcher Religion, die die Seele Fremder retten zu „müssen“
  • Ehrenrettung jeglicher Couleur

Eine Rettung setzt eine reale Gefahr voraus, die ein Eingreifen Dritter (weil die betroffene Person oder das betroffene Lebewesen dazu nicht in der Lage ist) notwendig macht, weil sonst der Tod / die Vernichtung droht. Und beinhaltet, dass man das wegen der Akutheit eher nicht ausdiskutiert.

Was hat das jetzt alles mit dem Kreis, Kreisregeln und Gemeinschaften zu tun?

Retten beinhaltet dass eine Person Handlungsmacht hat und die andere ohnmächtig ist.

Außerdem beinhaltet es ein richtig-falsch, denn retten ist richtig – lebensnotwendig (es nicht zu tun, ist strafbar)

Wenn wir dies jetzt nehmen und auf offenere Bereiche anwenden, in denen es kein richtig und falsch gibt, dann ist klar, wo das Problem liegt. Ein Miteinander muss aus gleichberechtigten gleichwertigen Individuen bestehen, die über sich selbst und für sich selbst entscheiden. Das geht aber bei „Rettung“ nicht.

Wir hätten also dann eine Situation, in der es einen aktiven Part gibt, der Recht hat und Handlungsmacht und einen zweiten Part, der also Unrecht hat, und nicht souverän handeln und entscheiden kann – per Definition. Das ist nicht gleichberechtigt und ein Rezept für jede Menge Ungleichheit, Missbrauch, Verletzung, schadendem Verhalten – und uns fallen bestimmt Situationen oder Beziehungsgeflechte ein, die genau so funktionieren.

Aber genau deshalb geht das nicht in einer gesunden Gemeinschaft und einem Kreis.

Um Hilfe bitten und helfen

Und deshalb ist es hilfreich, wenn wir alle lernen, es vom Helfen abzugrenzen. Und helfen als aktiv auf beiden Seiten zu definieren. Denn vom Gefühl her sind helfen und retten nah aneinander dran.

Wir haben aber ein Bild von „um Hilfe bitten“ oder „Hilfe anbieten“. Es ist ein Austausch. Ich unterstütze jemanden bei etwas. Ich helfe ganz konkret an einem Punkt oder an vielen. Wissend, dass die Person das jetzt eben gerade nicht kann, aber generell schon oder in Zukunft können wird (z.B. bei Kindern). Im Normalfall helfe ich bei Dingen, die die Person sehr wohl alleine kann, nur jetzt eben gerade nicht – z.B. im Krankheitsfall, oder weil es zu viel ist, um es auf einmal zu tragen und ich eine Tüte abnehme, oder bei der Zubereitung helfe, damit es schneller geht- weniger Arbeit ist. Helfen ist wie ein Austausch, wie eine Zusammenarbeit. Und das sollte es auch sein.

Es birgt den Schatten des sich über das Helfen das Hilfsbereit sein, des Gebrauchtwerdens zu definieren – wobei eben „gebraucht werden“ ja eine Zuschreibung ist, da helfen hilft aber nicht überlebensnotwendig ist. Wenn nicht ich helfe, geht es vielleicht alleine – oder braucht länger, oder die Person fragt jemand anderen um Hilfe.  

Wichtig ist Kontext von Gemeinschaft immer, die Augenhöhe. Dass beide Personen gleichmächtig sind (auch wenn eine gerade Unterstützung bekommt) und vor allem gleichwertig. Und dass niemand beschämt wird , weil die Person um Hilfe bittet oder Hilfe braucht. Und die Grundannahme, dass die Person das auch alleine schaffen könnte. Letzteres kann sich komisch anfühlen. Es kann sich nach im Stich lassen, nach Kälte anfühlen. Tatsächlich meine ich aber ein warmes ermächtigendes Gefühl.

Kaltes und warmes Gefühl

Das kalte Gefühl kommt daher, wenn das „alleine schaffen“ als „stell dich nicht so an, ist doch nicht so schlimm“ eingesetzt wird – wenn Beziehung verweigert wird, es eine Ablehnung ist und ein richtig und falsch und Ablehnung hineingewoben wird. Wenn die Botschaft ist „nach meiner Definitionshoheit (ohne dich zu fragen) musst du das selbst können und ich verweigere dir Beziehung und Anerkennung, wenn du anders reagierst als ich das will und spreche dir deinen Wert- den ich definiere – deshalb ab“. Absolut gruselig und doch altbekannt.

Warm, warmherzig und hilfreich ist die Annahme, dass die andere Person das auch alleine kann, als Vertrauen, Zutrauen in die Person – als Wertschätzung der Person.  Als Wissen um die ihr innewohnenden Fähigkeiten – die wir selbst eben in einem Tief, in einer Herausforderung oft nicht sehen oder vergessen.
Deshalb brauchen wir ja oft nur helfende Hand, ein wenig Zuspruch oder ein offenes Ohr als Hilfe. Und es ist eben nicht hilfreich, wenn jemand uns die Lösung vorgeben wollte (die ja nicht zu uns passen kann, wenn es nicht unsere ist) oder das ganze Thema abnimmt, alles für uns macht und löst, das nimmt uns Handlungsmacht und Eigenmacht. Das bestärkt uns in einer „ich kann das nicht“, das „überfordert mich“ „mit mir stimmt was nicht“- Haltung und kann sogar Abhängigkeit erzeugten. Echte wohlwollende Beziehung sucht hier den Mittelweg. Verständnis, Bestärkung, Raum geben, das Gegenüber anerkennen und hilfreich helfen.

Wir sind soziale Wesen, aber es ist gar nicht so einfach, es nach all dem, was wir gelernt und vorgelebt bekommen haben, dies gesund und hilfreich auszudrücken und das Thema retten und helfen steht da ganz oben auf der Liste.

Und deshalb ist das unter Garantie nicht der letzte Artikel zu dem Thema.

Tags:

Log in with your credentials

Forgot your details?