Muss das sein –  warum wollen die eine Sonderbehandlung?

Wie sich Privilegien anfühlen und was wir tun können

Wenn wir den Impuls haben, die Sichtbarkeit und Forderungen einer Minderheit als super nervig und übertrieben zu empfinden. Dann ist das leider genau der Hinweis auf unser Privileg. Eventuell ist auch ein Hinweis auf unsere verinnerlichte Abwertung dieser Personengruppe, die uns selbst gar nicht bewusst ist. Und das, obwohl wir uns für freundliche Menschen halten, die niemanden abwerten. Und wirklich liebevolle Wesen sind.

Und genau da explodiert dann immer die Diskussion.

Wir empfinden das als Vorwurf, als übertrieben. Warum sollen wir was ändern. Was haben die sich so. ich werte doch niemanden ab. Früher war das auch kein Thema. Warum brauchen die eine Sonderbehandlung?

Ich lasse jetzt mal alle außen vor, die eine beliebige Menschengruppe wirklich wissentlich für minderwertig halten-  das ist keinen Kommentar wert und gibt von meiner Seite keine Empathie.

Die große Mehrheit der Menschen tut das nicht. Die große Mehrheit der Menschen sind freundliche Wesen. Nur leider schützt uns das nicht davor, doch ganze Menschengruppen abzuwertend und gemein zu behandeln ohne es überhaupt zu merken und auch ohne es zu wollen.

Unsere Gesellschaft basiert noch immer auf all diesen Hierarchien, Privilegien, Normativität und Abwertung und basiert grundlegend nicht auf menschenfreundlichem bedürfnisorientierten Miteinander. Deshalb ist all das nicht immer ganz einfach zu durchschauen. Und es geht nicht um das Verteilen von Schuld.

Wenn wir diese Welt verbessern wollen und etwas ändern wollen, dann müssen wir alle Verantwortung übernehmen dafür. Für alles, was wir verinnerlicht haben, auch für all das Ungesunde. Es ansehen und ändern. Nur so kann es gehen.

Leider vermischt die Gesellschaft Verantwortung und Schuld und wirft nur mit Schuld.

Es ist also alles tatsächlich extraschwierig. Für alle Seiten.

Was stellen die sich so an?

Und ja manchmal ist dieses: Warum brauchen die jetzt eine Sonderbehandlung, was stellen die sich so an?! Einfach zu lösen über den Weg sich klarzumachen, dass wir alle eine liebevolle Sonderbehandlung verdienen und so abgesprochen bekommen. Das ist eine Ebene, auf der man sich gut persönlich annähern kann. Wo wir den Fakt nutzen können, dass wir wirklich freundliche empathische Menschen sind, die nicht absichtlich jemanden verletzten möchten.

Die abstrakte Ebene ist schwieriger – aber auch wichtig.

Ich finde es wichtig, darüber zu reden, wie sich Privileg äußert und anfühlt. Da ich selbst in so vielen Aspekten privilegiert bin möchte ich Empathie in diese Seite der Debatte bringen – denn das ist unser Job, den wir nicht auslagern können und dürfen. Privilegiert sein bedeutet, dass ich mein Leben leben kann, ohne mir um irgendwas ´nen Kopf machen zu müssen in diesem spezifischen Bereich. Denn das was ich bin, wird als Normal definiert und die Gesellschaft ist genau auf das was ich bin, ausgerichtet. Und ja als eine Person bin ich in verschiedenen Aspekten privilegiert und nicht-privilegiert. Diesen Unterschied zu betrachten, wo wir selbst privilegiert und nicht-privilegiert sind und wie sich das anfühlt ist der einfachste beste Ansatzpunkt, um wirklich zu verstehen, um was es geht und warum dieses ganze Konstrukt so destruktiv ist. Nicht das Benennen von Privileg sondern die Existenz von Hierarchie, Privileg, Normativität, Abwertung, Ausgrenzung.

Nein, wir können nichts für unser Privilegien, das ist richtig. Und niemand will, dass wir uns schuldig fühlen. Das bringt nämlich nichts. Es geht darum, hinzusehen und Verantwortung zu übernehmen durch Nachdenken, Positionieren, Verhalten.

Wir sind doch alle gleich

Ja und nein. Wir sind alle gleichwertig in unserer Unterschiedlichkeit. Da sind wir uns soweit doch einig. Für gefühlte und gelebte Gleichwertigkeit ist es wichtig, die Unterschiede nicht unter den Tisch zu kehren. Trotzdem kann ich versehentlich ausgrenzen und abwerten wenn ich dieser Meinung bin. Nämlich immer da, wo ich noch die Stereotypen und die Hierarchie glaube mit der ich aufgewachsen bin. Überall, wo ich die Normativität und das Privileg als „gottgegeben“ ansehe.

Und ja, es ist schwierig es nicht zu tun. Wir denken immer, wir tun das nicht, weil es so verdammt unsichtbar für uns ist.

Normativität ist das, was uns vorkommt wie die Säulen der Welt Wie eine korrekte Beschreibung. Etwas, das sich anfühlt, als wäre es schon immer so gewesen und als würde jede Person zustimmen. Etwas worüber wir uns nie Gedanken machen mussten.

Beispiel: Wenn ich ein durchschnittliches Leben führe, habe ich wenig Kontakt und fast gar keinen Konflikt mit der Polizei. (Das gilt übrigens nicht für politisch aktive Menschen). Wenn ich aber nun zufällig mit einer anderen Hautfarbe geboren wurde, ist die Lebensrealität eine andere. Es ist normal menschlich, dass wir abweichende Lebenserfahrungen nicht mitdenken – soweit so normal. Aber es ist ungesund, toxisch und herabwürdigend, wenn wir andere Lebenserfahrungen herabwürdigen oder negieren. Und das ist es, wozu uns Privileg und Normativität verleiten. Die eine Erfahrung ist normal und richtig. Also ist die andere falsch oder kann nicht sein – die Person bildet sich das ein, lügt, oder hat etwas verbrochen.

Immer, wenn wir leicht zwischen den Positionen wechseln können und beim Hören realisieren, dass es wahr ist, tragen wir die Gewalt und Ausgrenzung nicht weiter und können die Gleichwertigkeit erkennen. Der nächste Schritt wäre dann, dies öfter in Betracht zu ziehen und zu überlegen, wie wir diesen Zustand verändern können oder ich ein guter Ally für die betroffene Personengruppe bin.

Ich habe jetzt das am wenigsten aufgeladenste Beispiel gewählt, das mir eingefallen ist.

Was uns auch oft so nervt, ist die Tatsache, dass wir nun irgendwas berücksichtigen sollen. Uns das Leben komplizierter mache. Einfach so. How dare you. Aber das ist genau, wovor uns unser Privileg und unser Wegschauen immer geschützt hat. Empathie mit anderen Lebensrealitäten. Das Leid zu sehen. Die Ungerechtigkeit. Aber es ist real. Ja, die Welt war leichter als wir das nicht wussten als wir dachten, die Welt wäre für jeden so wie für uns (in unseren unsichtbaren Privileg). Ist sie aber nicht.

Schuldgefühle

Nun, wenn du hier bist, bist du sicherlich sehr empathisch und sensitiv und freundlich. Dann ist es oft herausfordernd, sich nicht komplett überwältigt von der Erkenntnis zu fühlen, dass andere dort leiden, wo wir es nicht tun. Und dass wir ein Privileg haben für das wir gar nichts können. Und das Leid zu sehen und dann nicht wissen, was tun. Das kann sich so überfordernd und überwältigend anfühlen, dass wir am liebsten nicht sehen und hören möchten.

Oder uns schämen und Schuld empfinden. Bei Privileg geht es NICHT darum, dass wir ein schlechter Mensch sind. Auch nicht, wenn uns jemand darauf hinweist, dass das was wir gerade gesagt oder getan haben,  rassistisch ist oder diskriminierend. Es geht nicht um Abwerten unserer Personen. Es geht nicht um Schuld.

Und die Welt liegt nicht auf deinen Schultern. Du allein musst nicht die ganze Welt retten und ändern. Es gibt keine Hölle oder Verdammnis wenn du einen Fehler machst. Es geht nicht darum, perfekt zu sein. Oftmals kommt das Überwältigungsgefühl daher, dass wir denken, wir müssten das jetzt lösen und immer perfekt sein. Wir können alle nur unser Bestes tun – und das Beste ist nicht das, wofür wir uns fertig machen sondern dass, das wir tun können. Und das sind meist nur kleine Schritte und kleine Handlungen. Aber weißt du was: Das reden darüber, das Nachdenken darüber. Das Auspacken dieser Zusammenhänge. Das ist enorm wichtig und das ist gar kein so kleiner Schritt. Darum geht es.

Das können wir tun

Jedes Mal, wenn wir uns nicht persönlich angegriffen fühlen, wenn jemand uns auf ein Missverhalten aufmerksam macht oder es eine Veränderung darin gibt, wie eine Personengruppe gerne benannt oder behandelt werden möchte.  

Jedes Mal, in dem wir offen zuhören. Offen ohne unsere eigenen Brille wichtiger zu nehmen. Wenn wir das Erleben der anderen validieren. Jedes Mal in dem etwas tun das eine Person  inkludiert, die  sonst nicht mitgedacht wird, leisten wir großes. Dies sind die Schritte, die all dies auflösen können. Und ja: vielleicht können wir uns in einem der Themenfelder engagieren, die sich auf eine oder mehrere betroffene Personengruppen fokussieren, um in dem Bereich die Benachteiligung zu vermindern. Vielleicht aber auch nicht. Falls war die Kapazität dazu haben: können wir zudem darauf achten, dass wir nicht die eine Personengruppe gegen die andere ausspielen. Wenn wir diese Dingen tun, helfen wir. Ändern wir die Welt.

Und wenn du hier bist und das gelesen hast, weiß ich eigentlich dass du davon schon einiges tust.

Und immer ist es ein Prozesse, ein aufdecken und entblättern.

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