Aus der Geschichtensammlung „Von den einsamen Frauen“

Ihr erkennt mich an dem Wägelchen, das ich bei mir habe. Ihr findet mich hinter den Einkaufszentren, wo die abgelaufenen und ausrangierten Waren entsorgt werden. Wenn ihr mich entdeckt, werde ich dort gerade Splitter sammeln. Ich sammele immer so lange, bis das Wägelchen nichts mehr halten kann. Dann werdet ihr mich umkehren sehen, mit dem Wägelchen hinter mir. Ich bringe es nach Hause, bringe die Splitter nach Hause, auf den Haufen, wo schon die anderen sind. Wenn ihr mir nicht bis in die Wohnung folgt, werdet ihr sehen, wie das Licht im Treppenhaus aus- und im Fenster rechts neben dem Treppenhaus angeht. Denn es wird spät sein, wenn ich nach Hause komme. Von der Straße aus werdet ihr sehen, wie ich erst geschäftig hin- und herlaufe im erleuchteten Zimmer, dann aber endlich zu Ruhe komme. Wenn ihr gute Augen habt oder ein Fernglas, werdet ihr mich über einen Tisch gebeugt sitzen sehen. Seid ihr aber bis in meine Wohnung vorgedrungen, dann wisst ihr, dass ich dabei bin, die Splitter zu flicken. Ja, ja, ganz recht: zu flicken. Das ist möglich, ja, ja, ich kann sie wieder heile machen. Denn ich habe einen robusten Zwirn, der alle Materialien zusammenhält. Seht genauer hin, ihr werdet auf den Regalbrettern hinter mir schon eine Menge geflickter Splitter sehen, die zu etwas neuem Ganzen zusammengefügt sind. Geniert euch nicht, ihr müsst nicht auf Zehenspitzen gehen, braucht sie nicht zu stehlen. Ich habe sie doch für euch geflickt, diese Dinge. Nehmt sie euch nur – oder traut ihr euch nicht?

1 Comment
  1. Diana 2 Jahren ago

    👐🙏❤️

Leave a reply

Log in with your credentials

Forgot your details?